SOS: Eurovita-Lebensversicherer sollte gerettet werden

Was riskieren die Inhaber von Kapitallebensversicherungen?

Dunkle Wolken über den Eurovita-Kapitalllebensversicherungen. Nachdem sich viele Volksbank- und Sparkassekunden mit den fast unverkäuflichen und stark entwerteten Aktien herumschlagen müssen, droht weiteres Ungemach bei Policen von Kapitallebensversicherungen, die an den Bankschaltern verkauft wurden. Bis zum 31. März 2023 hat der von der Versicherungsaufsichtsbehörde IVASS eingesetzte Kommissar den Rückkauf von verschiedenen Eurovita-Kapitallebensversicherungspolicen ausgesetzt. Wer das Geld braucht, bekommt es derzeit nicht. Den Betroffenen wird stattdessen ein Kredit durch die Bank angeboten. Der Fall könnte sich zu einem erneuten Verlust von Erspartem entwickeln, wenn nicht noch eine Rettung in allerletzter Minute stattfindet. Unkenrufe von seiten von kritischen Verbraucherschützern, dass Kapitallebensversicherungen keine gute und rentalble Geldanlage darstellen, könnten sich bewahrheiten.

 

Was ist passiert?

Bei der Versicherungsgesellschaft Eurovita, deren Policen in Südtirol vor allem von Volksbank und Sparkasse vertrieben wurden, ist von der Versicherungsaufsichtsbehörde IVASS ein kommissarischer Verwalter eingesetzt worden. VerbraucherInnen berichten uns, dass kurz vorher noch versucht wurde solche Policen in den Bankfilialen zu verkaufen. Insgesamt sind italienweit über 353.000 Versicherungsnehmer, besser gesagt Geldanleger, vom Einfrieren des Rückkaufs betroffen. Der Umfang der Policen beträgt über 15 Milliarden Euro und 413.000 Policen sind davon betroffen. Die Versicherungsgesellschaft Eurovita wird vom britischen Private-Equity-Fonds Cinven kontrolliert. Offensichtlich ist bei Eurovita etwas schief gelaufen. Der Cinven-Fonds hat nämlich nicht nur nicht die Absicht, das italienische Unternehmen zu rekapitalisieren. Vielmehr will er einen Käufer finden, Geld einsammeln und sich aus dem Geschäft mit den Trikolore-Policen zurückziehen. Bislang hat sich kein Käufer gefunden. Die kommissarische Verwaltung hat damit zu tun, dass Eurovita über weniger Eigenkapital verfügte, als nach den Solvabilität-II-Vorschriften erforderlich war, um die Risiken des von ihr entwickelten Geschäfts zu decken.
Was passiert nun, wenn der eingesetzte Kommissar Santoliquido bis Ende März keinen Käufer für Eurovita findet, der bereit ist, das Unternehmen zu rekapitalisieren? Möglicherweise könnte die IVASS eines von zwei Verfahren anwenden: die außerordentliche Verwaltung oder die administrative Zwangsliquidation falls keine Rettung zustande kommt. In beiden Fällen würden die betroffenen Sparer bei der Festlegung der Beträge, die sie zurückerhalten sollen, vom eingesetzten Verwalter unterstützt. Auch eine Intervention des Staates ist nicht ausgeschlossen.

 

Welches sind die Hauptrisiken, denen die Sparer ausgesetzt sind?

Sparer, die Versicherungsprodukte von Eurovita erworben haben, riskieren im Falle eines Konkurses der Versicherung den teilweisen oder vollständigen Verlust ihres investierten Kapitals. Doch es gibt auch andere Lösungen. Und das Risiko ist jedoch je nach Art des erworbenen Produkts unterschiedlich hoch.

Für die Zusatzrenten gibt es eine Reihe von Garantien, die die Kontinuität der langfristigen Investitionen gewährleisten sollten.

Bei Policen der Sparte I (getrennt verwaltete Verträge) wird das Portfolio beispielsweise getrennt vom Kapital des Unternehmens verwaltet, so dass im Falle eines Konkurses von Eurovita das getrennt verwaltete Vermögen zu den Marktpreisen der Wertpapiere im Portfolio liquidiert würde.

Bei Mehrspartenverträgen oder Verträgen der Sparte III hingegen wird ein Teil des Portfolios separat verwaltet, während der andere Teil aus internen Versicherungsfonds (AIF) besteht. In diesem Fall gäbe es keine Garantie für den Teil des Portfolios, der über AIFs verwaltet wird, aber der separat verwaltete Teil würde zu den Marktpreisen der Wertpapiere im Portfolio liquidiert.

 

Warum könnten sich steigende Zinsen negativ auf die Policen auswirken?

Das finanzielle Risiko, das mit der Situation von Eurovita verbunden ist, ergibt sich vor allem aus dem raschen Anstieg der Zinssätze in den letzten Monaten (hervorgerufen durch die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank), der zu einem Rückgang der Kurse der in den Portfolios der Fonds und der getrennten Verwaltung gehaltenen Wertpapiere führen könnte. Und zwar in einem Maße, das von der Laufzeit der Wertpapiere abhängt.

Jeder Fonds und jede getrennte Verwaltung hat ein anderes Portfolio mit Werten und Vermögenswerten, die zum Zeitpunkt einer eventuellen Liquidation bewertet werden müssen. Doch würden die Wertpapiere bis zur Fälligkeit gehalten werden können, dann wäre nur die Rendite gefährdet, nicht das Kapital.

 

Was sind illiquide Wertpapiere?

In den Medien wird berichtet, dass die getrennten Vermögensverwaltungen von Eurovita in geringem Umfang Finanzinstrumente (in den meisten Fällen Aktien oder Anleihen) erworben hätten, die als "illiquide" definiert wurden. Es scheint, dass die Instrumente in vielen Fällen von denselben Banken ausgegeben wurden, die auch die Versicherungsprodukte platziert haben. Da illiquide Instrumente nicht an den Finanzmärkten notiert sind, sind sie schwer zu verkaufen. Davon können die Aktionäre von Volksbank und Sparkasse ein Lied singen. Denn wenn sich kein Käufer findet, können illiquide Wertpapiere zu einem gewissen Zeitpunkt faktisch einen geringen Wert aufweisen.

 

Welchen Sinn machen Kapital-Lebensversicherungen und was tun?

Kapital-Lebensversicherungen sind eigentlich Sparprodukte und haben mit Versicherung oftmals eher weniger zu tun. Für GeldanlegerInnen gibt es bessere Produkte. Die Situation von Eurovita zeigt, wie wichtig es ist, die Solidität von Unternehmen im Auge zu behalten, bevor man sich entscheidet, ihnen sein Geld anzuvertrauen. Dabei wurde offenbar oft die Solidität der Verkäufer mit jener der Versicherungsgesellschaft verwechselt.

 

Der Geschäftsführer des Verbraucherschutzvereins Robin, Walther Andreaus, gibt zu bedenken: „Der 31. März rückt näher und laut Presseberichten gibt es noch keine wesentlichen Fortschritte bei der Rettung von Eurovita. Eine Lösung ist dringend notwendig, ansonsten könnte für die zahlreichen Policen-InhaberInnen ein jahrelanger Spiessrutenlauf bevorstehen.

Im Falle eines Schadens haben die SparerInnen jedenfalls rechtliche Mittel zur Verfügung, um ihre Rechte zu wahren. Die EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie (Insurance Distribution Directive, kurz: IDD) von 2018 legt strenge Auflagen für die Vermittler solcher „Finanzprodukte“ fest, sowohl in Bezug auf die Informationen als auch was die Eignung für das Risikoprofil des Kunden betrifft. Diesen Pflichten unterliegen alle die die Policen verkaufen, auch die betroffenen Banken.“

 

 

22. März 2023