Steigende Energiepreise und Inflation machen den VerbraucherInnen zu schaffen

Robin: Klimapolitik muss dringend sozialer werden

 

Energiearmut stärker bekämpfen

 

Im Stromland Südtirol steigen die Energiepreise. Wie auch in Europa und Italien. Das belastet vor allem Haushalte mit geringem Einkommen, denn denen droht das Licht auszugehen und eine kalte Wohnung. Im europäischen Strompreisvergleich befinden sich Italien und damit Südtirol im obersten Bereich.

 

Nach den Daten von ARERA, der italienischen Regulierungsbehörde für Energie, Netze und Umwelt, steigen die Stromkosten für den typischen Haushalt im dritten Quartal 2021, und zwar um 9,9 % im Vergleich zum vorherigen Quartal. Dies ist auf den starken Anstieg der Preise für die wichtigsten Energierohstoffe und die gleichzeitige Preiserhöhung für CO2-Emissionszertifikate zurückzuführen. Auch Erdgas verzeichnete einen Preisanstieg von +15,3 % gegenüber dem Vorquartal.
Das kommende Jahr wird also mit teureren Strom- und Gastarifen und höheren Rechnungen für private Haushalte beginnen, die noch im geschützten Markt sind.
Der geschützte Markt wurde seit der Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes in Italien eingeführt und garantiert den VerbraucherInnen die Möglichkeit, Strom und Gas zu den von der Regulierungsbehörde ARERA festgelegten wirtschaftlichen Bedingungen zu beziehen. Die Preise auf dem freien Markt variieren hingegen von Betreiber zu Betreiber und unterscheiden sich von den von ARERA festgelegten Preisen, sind aber in mehr als 90% der Fälle teurer. Über 40% der KundInnen sind in der Vertragsart „geschützter Markt“.
 

Seit dem zweiten Quartal 2020 ist der Strompreis im geschützten Markt sogar um mehr als 42 Prozent gestiegen. Ein ähnlicher Preisanstieg war bei Methangas zu verzeichnen, dem zweitwichtigsten Energieträger in Europa und dem ersten in Italien, wo rund 40 Prozent des Stroms aus Erdgas erzeugt werden. Allein im zweiten Quartal 2021 stieg der Preis um 30 Prozent gegenüber dem Vorquartal.

 

Der Anstieg des Strompreises im dritten Quartal wurde von der Regierung abgefedert. Laut ARERA hätte der Anstieg der Rohstoffkosten zu einem Anstieg des Strompreises um 20 % gegenüber dem vorangegangenen Quartal geführt. Der Ministerrat hat daraufhin die Senkung der „allgemeinen Netzentgelte“ um 1,2 Milliarden Euro verfügt. Die Maßnahme ist jedoch befristet. Ende 2022 soll auch der geschützte Markt abgeschafft werden.

 

Die Inflation meldet sich zurück

Vorläufigen Schätzungen des ISTAT zufolge ist der nationale Verbraucherpreisindex für alle privaten Haushalte (NIC), ohne Tabak, im August 2021 auf Jahresbasis um 2,1% gestiegen (gegenüber +1,9% im Vormonat). Die tendenzielle Beschleunigung der Inflation ist vor allem auf die Preise für Energieerzeugnisse zurückzuführen. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex (IPCA) auf Jahresbasis stieg laut vorläufigen Berechnungen auf 2,6 % (von +1,0 % im Juli).
Während Betriebe die erhöhten Kosten - wenn es die Konkurrenz erlaubt - auf die Kunden abwälzen können, haben es ArbeitnehmerInnen und RentnerInnen nicht so leicht. Die durchschnittlichen Stundenlöhne stiegen Ende Juni im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 Prozent, Renten werden im vollen Ausmaß nur bis vier mal die Mindestrente an die (offizielle) Inflation angepasst. Die Zangenbewegung von Energiepreisen und Inflation stellen ein ernstes Problem dar, das noch mehr Menschen in Energiearmut zu bringen droht.
 

Klimapolitik muss dringend sozialer werden

Einer der Hauptfaktoren des Energiepreisanstiegs ist der Anstieg der Preise für Kohlendioxid (CO2)-Emissionszertifikate, die im Rahmen des Europäischen Emissionshandelssystems (ETS) gehandelt werden: ein börsenähnlicher Markt, auf dem umweltverschmutzende Unternehmen mit Verschmutzungsrechten handeln. Damit soll der Übergang zu erneuerbaren Energiequellen gefördert werden und die zweifellos notwendige Klimawende verfolgt werden. Es stellt sich die Frage, ob die soziale Seite beim Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter vergessen wird?

Seit Anfang des Jahres ist der Preis für eine Emissionsgenehmigung für eine Tonne CO2 im Rahmen des Emissionshandelssystems von 33,7 Euro auf 56 Euro gestiegen. Diese Kosten finden sich zunehmend in den Energiepreisen. Da die Zahl der Genehmigungen jedes Jahr verringert wird, wird dieser Preis in Zukunft ziemlich steigen. Die oft ins Feld geführten Unterstützungsmaßnahmen für private Haushalte, wie den automatischen Bonus für bedürftige Familien, sind nicht wirklich eine Hilfe. Die Energiearmut kann zwar etwas gelindert werden, die bevorstehenden großen Belastungen, auch für den Mittelstand, können damit jedoch nicht wettgemacht werden. Deshalb braucht es dringend Maßnahmen um diese soziale Verzerrung zu verringern.

Die Europäische Union hat zwar die Einführung eines "Sozialen Klimafonds" angekündigt, aber es ist noch nicht klar, wie dieser Fonds und die Klimaprämie in der Praxis eingesetzt werden sollen. Und von Ankündigungen können keine Energierechnungen bezahlt werden.

 

Der Geschaftsführer des Verbraucherschutzvereins Robin, Walther Andreaus, ist der Ansicht, dass Energie ein unverzichtbares Gut sei. Die VerbraucherInnen haben nicht die Wahl, auf die Versorgung mit Strom und Gas und zu verzichten. Ein genereller Marktaustritt wie bei anderen Konsumgütern ist also nicht möglich. Einkommensschwache oder verschuldete Haushalte setzt das in besonderem Maße unter Druck. Obwohl Energie ein Basisgut darstellt, wird säumigen KundInnen nicht selten der Strom- oder Gashahn abgedreht.

 

Leider gibt es europaweit noch keine einheitliche Strategie zur Lösung des Problems Energiearmut. Italien und Südtirol haben relativ schwache Instrumente und Maßnahmen, die Energiearmut mindern können. Klimapolitik und Sozialpolitik müssen daher noch besser koordiniert werden.

14. Sep 2021